Faksimile aus dem Schriftsatz an das Handelsgericht

MG Süddeutscher Verlag zieht im Fall „falsche Holocaust-Fotos“ die Notbremse

Begonnen hatte alles mit einer Exklusivreportage die DER GLÖCKEL (vorm. muenchnernotizen) am 3. April 2005 unter der Schlagzeile „Der Holocaust, Auschwitz und seine Geschäftemacher 2005“ veröffentlicht hatte. Das  Nachrichtenmagazin erbrachte in einer umfassenden Exklusivreportage den Nachweis, daß unterschiedliche Archivbildanbieter falsche Fotos zum Holocaust im Konzentrationslager Auschwitz, ausgerechnet im sogenannten Gedenkjahr, vielfach an Medien verkauften. Diese Bilder wurden in zahlreichen Medien veröffentlicht und von Millionen Medienkonsumenten naturgemäß als Realfotos zum KZ Auschwitz angesehen. Daß, was die Gesellschaft als vermeintliches Zeitdokument vor Augen geführt bekam, war aber inhaltlich falsch. Es handelte sich gar nicht um Fotos von Auschwitz, sondern um Inszenierte Aufnahmen, die auch gar nicht aus dem vorerst angegebenen Zeitraum herrührten und zusätzlich allesamt aus dem Konzentrationslager Dachau stammten. Die Archivdienstleitster wie die AKG Images GmbH und der SV-Bilderdienst der DIZ Dokumentations- und Informationszentrum München GmbH der Mediengruppe Süddeutscher Verlag vertrieben gewerbsmäßig Fotos, die vom renommierten Historiker Andreas KILIAN als „Geschichtsfälschung“ in dem dargestellten Zusammenhang bezeichnet wurden. Auf diese Reportage, in der es mit scharfer Kritik an Gesellschaft, Medien und auch den betroffenen Firmen nicht mangelte, folgte die Klage der DIZ München GmbH, der ein Antrag auf Einstweilige Verfügung beigefügt wurde. Durch alle Instanzen zog sich das Verfahren bis der Oberste Gerichtshof im Juni 2006 unter der Aktenzahl 4 Ob 71/06d glasklar und mit einer Deutlichkeit, die eine unverrückbare Säule für den unabhängigen Journalismus der durch DER GLÖCKEL vertreten wird, darstellt und einen Beschluß faßte, der in die Rechtsgeschichte einging und zusätzlich niederschmetternd für den Kläger war.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte im sachlichen Zusammenhang die Zulässigkeit beispielsweise der Titulierung und Aussagen wie „Geschäftemacher„, „Profitsucht„, „Stillen von perversen Gelüsten“ und „gewinnbringende Geschäfte mit dem Elend von Millionen Menschen und Opfern“ und schließt sich ebenso der inhaltlichen Aussage des verantwortlichen und beklagten Chefredakteurs, Walter Egon Glöckel an und führte dazu wie folgt aus:

Das gilt um so mehr, als auch bei echten Quellen die gewinnbringende Verwertung in vertretbarer Weise als moralisch bedenklich angesehen werden kann, und zwar jedenfalls dann, wenn darin – wie hier – das Leid von Opfern drastisch abgebildet ist.

Der Oberste Gerichtshof hat entschieden und zwar so umfassend, daß die Punkte, die der Kläger in seiner Klage gegen Glöckel einbrachte vorbehaltlos neutralisiert wurden. Mit diesem Beschluß, den das Höchstgericht faßte war der Ausgang des nunmehr folgenden Prozesses am Handelsgericht wegen Unterlassung nur noch Formsache.

Faksimile aus der Ladung vom Handelsgericht WienFaksimile aus der Ladung vom Handelsgericht Wien

Der Prozeß war für den 18. September 2006 wegen des einschlägigen OGH Beschlusses nur mit einer Dauer von 20 Minuten anberaumt worden. Nur wenige Tage vor dem Prozeß zieht die Mediengruppe Süddeutscher Verlag dann angesichts der bevorstehenden zusätzlichen Niederlage die Notbremse und so übermittelt deren in Österreich beauftragte Kanzlei Fellner Wratzfeld Partner dem Handelsgericht Wien den Schriftsatz „Klagsrückziehung“ unter Anführung „Die klagende Partei teilt mit, daß sie die Klage unter Anspruchsverzicht zurückzieht.

Faksimile aus dem Schriftsatz an das HandelsgerichtFaksimile aus dem Schriftsatz an das Handelsgericht

Im April 2005 forderte die von der DIZ München GmbH aktivierte Rechtsanwältin Dr. Sibylle Gierschmann, Glöckel auf, zwei Unterlassungsverpflichtungserklärungen zu unterfertigen und führte in ihrem Schreiben u.a. wie folgt aus:

Ferner ist das Zitat unzutreffend, wonach der Bezug der Fotos „je nach Verwertung des Beziehers zwischen 50.- und 100.000.- Euro pro Stück“ kostet.

Dem Beweismittelakt, der dann in Österreich durch Fellner Wratzfeld Partner dem Gericht übermittelt wurde, war jedoch ein Schriftstück beigefügt, das Glöckel zum Schmunzeln brachte. Handelte es sich dabei doch um die Kopie einer internen e-Mail, die die Mitarbeiterin und Interviewpartnerin von Glöckel beim SV-Bilderdienst an die Rechtsanwältin sowie den Geschäftsführer der DIZ München GmbH, Herrn Dr. Gerald Mauler schickte. Darin findet sich zu den Preisangaben der Fotos wie folgt:

Herr Glöckel hat vertrauliche Preis-Informationen, die er aus einem Telefonat mit mir zur Verwendung unserer Bilder, im Internet veröffentlicht. Hierzu war er nicht berechtigt. (1:1 Abschrift)

Faksimile aus dem dem Beweismittelakt beigefügten "internen" e-MailFaksimile aus dem dem Beweismittelakt beigefügten „internen“ e-Mail

Also kein Wort darüber, daß die veröffentlichten Preisangaben von 50.- bis 100.000.- €, je nach Art der Verwendung falsch sind. (Anm.: Diese Preisangaben wurden auch im Zuge des Verfahrens durch das Gericht verifiziert und vom Kläger bestätigt.)

Der Journalist kündigte bereits im Vorfeld für diesen Prozeß einen Skandal im Zusammenhang mit dem SV-Bilderdienst, der DIZ München GmbH und einen seiner Kunden im sachlichen Zusammenhang an. Das Gerichtsverfahren wurde nun durch den Kläger beendet, aber das Thema aus gesellschafts- und medienpolitischer Sicht ist es noch längstens nicht.

2006-04-22